Berlin, 20. September 2011: Lesen Sie im zweiten Teil des Interviews, wie die Bundestagsabgeordneten Alex Funk (CDU) und Oliver Luksic (FDP) ein „Nein“ im Rahmen der EFSF-Abstimmung bewerten und welche weiteren Rettungsmöglichkeiten den beiden Politikern vorschweben.

(…)

ET-MEDIA: Der Vertragsbruch geschieht ja aus sozialen Erwägungen heraus. Wäre Ihre Haltung vor diesem Hintergrund dann nicht als nicht-sozial zu bezeichnen?

Funk: Was ist daran sozial?

ET-MEDIA: Griechenland zu retten?

Funk: Was ist daran sozial? Die Griechen haben über Jahre mehr ausgegeben, als sie eingenommen haben. Sie hatten Lohnsteigerungen von 47%. In Deutschland haben die Bürger durch die Rezession in den letzten Jahren Einkommensverluste hinnehmen müssen. Was ist daran sozial zu sagen: Denen, die die letzten zehn Jahre Party gefeiert haben, müssen wir jetzt helfen, die Zeche zu bezahlen?

Luksic: Wir stimmen jetzt über den EFSF 2, bald über den ESM ab. Die Frage ist, was ist die Alternative? Wir haben aktuell keine auf dem Tisch liegen. Dem, was in Europa ausverhandelt wurde, können wir zustimmen oder dies ablehnen. Wir müssen uns klar fragen, was passiert, wenn wir ablehnen? Und da alle anderen in Europa das befürworten (übrigens wie gesagt auch alle großen Institutionen in Deutschland) ist es eben keine Alternative, einzelne Länder pleite gehen zu lassen und davon auszugehen, dass uns selbst dabei nichts passiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass es dann zu einer weltweiten Krise kommt, deren Kosten um ein Vielfaches höher wären, als die Beträge für die wir jetzt bürgen, ist sehr hoch. Deswegen komme ich in der Abwägung zu anderen Ergebnissen als der Kollege Funk. Auch wenn ich die Risiken und Gefahren gerade auch aus ökonomischer Sicht durchaus teile. Klar ist aber auch: Wenn nicht Schwarz-Gelb regieren würde, wäre a) schneller geholfen worden und b) ohne jegliche Bedingungen. Da wäre die Rechnung für den deutschen Steuerzahler durchaus höher. Wir müssen ja auch ein Stück Verantwortung für ganz Europa mit übernehmen.

Funk: Ja, aber das ist doch immer dieses Weltuntergangsszenario, die große Blackbox. Keiner weiß, was passiert. Aber es soll jetzt ganz schlimm sein, wenn man nicht hilft. Diese Alternativlosigkeit!. Wir müssten jetzt zustimmen, oder es wird nichts mehr. Also, ich halte das für absurd. Was ist mit dem Vorschlag eines Banken-Rettungsschirms? Was ist, wenn Griechenland morgen sagt, „wir sind zahlungsunfähig“, und es sich mit seinen Gläubigern – mittlerweile ist es ja nur noch die EZB und damit auch Deutschland- hinsetzen muss. 15 Monate zuvor hätte Griechenland mit seinen Gläubigern verhandeln müssen und es hätten neue Zahlungsziele vereinbart werden müssen. Die Gläubiger hätten dabei Abschläge von 30% oder 40% hinnehmen müssen. Selbstverständlich hätten die Banken diesen Verlust abschreiben müssen und natürlich hätte dies dazu führen können, dass die eine oder andere Bank wackelt und man sie dann zielführend retten muss.

Luksic: Dann wackelt aber die eine oder andere spanische, französische oder italienische Bank.

Funk: Wie gesagt, dann macht man einen europäischen Bankenrettungsschirm und hat die Entscheidungshoheit, darüber, was mit der Bank passiert. Das ist durchaus preiswerter. Und vor allen Dingen bleibt derjenige, der die Profite eingenommen hat, weiter in der Verantwortung drin. Das ist bei den anderen Lösungsoptionen nicht der Fall.

ET-MEDIA: Günter Oettinger hat ja gefordert, dass demnächst EU-Beamte die Steuern in Griechenland eintreiben sollen. Zitat: „Sie könnten ohne Rücksicht auf Widerstände agieren und den Schlendrian beenden“. Die Duldung der EU-Beamten sei die Gegenleistung für die Finanzhilfen. Außerdem solle Griechenland die Haushaltshoheit komplett an die EU abgeben und die Flaggen auf Halbmast ziehen. Ist das nicht zynisch?

Funk: Ich weiß nicht, ob diese Meldung stimmt. Sollte sie stimmen, muss ich feststellen, dass die Situation immer absurder wird.
Luksic: Kann ich ebenfalls nicht nachvollziehen. Diese Haltung ist nicht sachgerecht und auch der Problematik nicht angemessen.

ET-MEDIA: Apropos sachgerecht. Herr Luksic, Sie hatten ja vor einigen Tagen damit gedroht, die Koalition aufzukündigen, Stichwort: Eurobonds. Wie kommen Sie eigentlich dazu, im Alleingang die Koalition aufkündigen zu wollen?

Luksic: Nein, ich habe angesprochen, dass die FDP sich überlegen müsste, ob bei der Einführung von Eurobonds ein Europa und auch eine Ausgestaltung des Euros einsteht, das bzw. die die FDP noch mittragen kann. Ich freue mich ausdrücklich, dass auch der Parteivorsitzende ganz klar gesagt hat, dass es mit der FDP keine Eurobonds geben wird. Ich bin mir auch sehr sicher, dass das Thema bald wieder auf die Tagesordnung kommt. Und ich fürchte auch, das wir bei jeder anderen Regierung ohne die FDP bereits jetzt schon die Eurobonds hätten oder sie sehr bald bekommen würden.

Funk: Ich stimme in 98% inhaltlich zu. Die politische Bewertung sehe ich ein bisschen anders. Die Kanzlerin und der Finanzminister haben Eurobonds klar ausgeschlossen. Da möchte ich einfach eine Lanze brechen und deutlich machen, dass wir als Bundesregierung aus CDU-/CSU- und FDP-Fraktion gemeinsam Eurobonds ablehnen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts legt hier ja auch klare Grundlagen.
Luksic: Ich habe zur Kenntnis genommen, dass Eurobonds zu den jetzigen Konditionen ausgeschlossen werden. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU Peter Altmaier hat allerdings klar gesagt, man dürfe für die Zukunft bloß nicht alles ausschließen. Die Hintertür ist da also schon ein Stück weit offen. Aber nach dem Urteil des Verfassungsgerichts und dem Urteil der Ratingagentur Stand & Poors, die gesagt haben, Eurobonds hätten kein gutes Rating, sind Eurobonds jetzt nochmal ein Stück unwahrscheinlicher geworden. Aber ich bin sicher, sobald rot-grün regiert, werden Eurobonds eingeführt. Das muss der Bürger dann eben auch klar wissen.

Funk: Das ist richtig.

Luksic: Wir beide sind uns in Folgendem einig: Unsere Alternative zu den Rettungsschirmen ist das Thema „Insolvenzregeln für Staaten“. Wir bedauern, dass diese Alternative bislang nicht auf dem Tisch liegt. Es gibt zarte Ansätze in dem neuen Rettungsschirm (dem ESM), mit den collective action clauses die Gläubiger von Anfang an zu beteiligen. Das wäre wenigstens mal einen Schritt in die richtige Richtung. Auch wenn es da mit Sicherheit immer noch Fehlanreize und Risiken gibt. Hier sind der Kollege Funk und ich uns in der Bewertung relativ nah.

Interview: Frank M. Wagner

Von EIC

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