Nach dem Mindestlohn und der „Rente mit 63“ tritt Arbeitsministerin Andrea Nahles jetzt mit einer neuen Idee auf den Plan: Sie will die Regeln zur Leiharbeit und zu Werkverträgen verschärfen. Wichtigster Punkt ihres Gesetzentwurfes ist die Begrenzung der Leiharbeit auf eine Dauer von 18 Monaten. Damit solle die Leiharbeit wieder als Instrument „zur zeitlich begrenzten Deckung eines Arbeitskräftebedarfs geschärft“ werden, wie es im Referentenentwurf des Arbeitsministeriums wörtlich heißt. Anders gewendet bedeutet dies, dass Leiharbeit und Werkverträge kein „Deckmantel für Ausbeutung“ sein dürfen, wie Andrea Nahles in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung betont. Sie ergänzt, dass es bisweilen Arbeitgeber gebe, die Leiharbeiter „teilweise extrem lange einsetzen, ohne dass sich aus dem betrieblichen Ablauf erschließt, warum das so sein muss“.

Eine Ausnahme für die Begrenzung der Leiharbeit auf 18 Monate ist in dem Referentenentwurf allerdings auch vorgesehen:  „In tarifgebundenen Unternehmen sind (…) längere Einsatzzeiten von über 18 Monaten möglich“, steht im Konzept zu lesen. Gleiches gilt auch für Haustarifverträge. Für Fälle dieser Art zieht der Entwurf in seiner aktuellen Fassung keine zeitliche Obergrenze der Beschäftigung.

Zweiter Punkt: Leiharbeiter und Stammarbeitnehmer sollen nach neun Monaten bei der Bezahlung gleichgestellt werden. Ausnahme: Wird der Lohn des Leiharbeiters bereits vor Ablauf der neun Monate aufgestockt, „besteht der Anspruch auf Equal Pay (gleiche Bezahlung) erst nach einer Einsatzdauer von zwölf Monaten“, so die Formulierung im aktuellen Entwurfsstadium.

Nach den neuen Regelungen, die ab 2017 gelten sollen, wird es übrigens auch verboten sein, Leiharbeiter als Streikbrecher einzusetzen.

Bei den Werkverträgen plant die Ministerin mehr Transparenz: Betriebsräte sollen künftig über die Anzahl und Vertragsbedingungen der beschäftigten Werkvertragsarbeiter informiert werden. Zur Abgrenzung der Werk- von den Dienstverträgen sollen zudem acht Kriterien gesetzlich festgeschrieben werden, die sich aus einschlägigen Gerichtsurteilen ergeben.

Nahles‘ Intention, die hinter den geplanten Regularien steht, ergibt sich unmittelbar aus dem Koalitionsvertrag von 2013, in dem Union und SPD seinerzeit vereinbart hatten: „Den Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit werden wir verhindern.“

Für die die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) schießt der Referentenentwurf des Arbeits- und Sozialministeriums weit über die Vorgaben des Koalitionsvertrages hinaus. BDA-Chef Ingo Kramer sieht Werkverträge und Zeitarbeit in erheblichem Umfang gefährdet, bezeichnet den Gesetzentwurf als „hochbürokratisch“,  „praxisfern“ und „in der Sache unsinnig wie undurchführbar“. Der Entwurf schränke die Tarifautonomie und die tariflichen Gestaltungsmöglichkeiten der Tarifpartner unnötig ein.

Auch mit dem Kriterienkatalog zur Abgrenzung von Werk- und Dienstverträgen ist Kramer nicht zufrieden: Der Katalog unterstelle das Vorliegen von Arbeitsverhältnissen, bei denen bisher ganz typische Dienst- oder Werkverträge durch selbstständige Unternehmen vorlägen. Kramer: „Das Outsourcing bestimmter Dienstleistungen an selbstständige Unternehmen würde damit ebenso vielfach gefährdet wie spezialisierte Zulieferung im Anlagenbau, IT-Dienstleister oder technische Serviceunternehmen.“

Ähnlich kritisch reagiert der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ). Dessen Hauptgeschäftsführer Werner Stolz erklärt: „Die Einführung einer Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten ist willkürlich und findet keine systematische Stütze in anderen gesetzlichen Regelungen, die durchgehend längere Maximal-Fristen vorsehen“.

Auch dem Koalitionspartner CDU/CSU schmeckt Nahles‘ Referentenentwurf nicht. So erklärte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Union, Karl Schiewerling, dass man zwar den Missbrauch bei Leiharbeit und Werkverträgen bekämpfen müsse, die Flexibilität für die Wirtschaft allerdings erhalten bleiben müsse.

Noch einen Schritt weiter geht Schiewerlings Fraktionskollege Jens Spahn. Der erst 35-jährige Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesfinanzministerium forderte im Handelsblatt einen Verzicht auf die Neuregelung, will die flexiblen Arbeitsverhältnisse nicht beschränken. Als Grund gibt er den Zuzug hunderttausender Flüchtlinge an: „Wir müssen hunderttausende Menschen möglichst schnell in unseren Arbeitsmarkt integrieren. Daher muss unsere klare Botschaft an die Unternehmen sein, dass wir alles tun für mehr Beschäftigung und Wachstum statt immer mehr Regulierung“.

Auch die IG Metall zeigt sich von den Vorschlägen der Ministerin nicht begeistert. Anders als dem BDA gehen der Gewerkschaft die Regelungen jedoch nicht weit genug: „Insbesondere die Vorschläge gegen den Missbrauch von Werkverträgen sind halbherzig und völlig unzureichend, um Lohndumpingstrategien entgegenzutreten“, so der IG Metall Vorsitzende Jörg Hofmann. Die Mitbestimmungsrechte würden nur unzureichend erweitert. Gelungen sei dagegen die vorgesehene Regelung, dass Werkvertragsbeschäftigte im laufenden Einsatz nicht mehr zu Leiharbeitsbeschäftigten „umdeklariert“ werden könnten. Auch der geplante Kriterienkatalog zur Abgrenzung von Werk- und Dienstverträgen sei positiv.

Die Gewerkschaft kritisierte indes die Festlegung von Höchstüberlassungsdauern. Sie regele allenfalls den „Wanderzirkus“, den Leiharbeiter von Entleiher zu Entleiher erleiden müssten. „Sie regelt weder deren Wunsch auf Übernahme in den Entleihbetrieb, noch den Missbrauch von Leiharbeit, wenn Arbeitsplätze dauerhaft mit Leiharbeitern besetzt werden.“

Wie es weitergeht, bleibt zunächst abzuwarten. Ministerin Nahles plant, den Referentenentwurf bis Mitte Dezember zwischen den Ministerien abstimmen und dann vom Kabinett absegnen zu lassen.

Frank M. Wagner

Von EIC