Die CDU hat bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus nur magere 17,6 Prozent geholt. Woran hat’s gelegen? Spitzenkandidat Frank Henkel lässt den Wahlkampf im Interview mit Frank M. Wagner Revue passieren.

CDU-Landesvorsitzender und Spitzenkandidat: Innensenator Frank Henkel, (c) Foto: Frank M. Wagner
CDU-Landesvorsitzender und Spitzenkandidat: Innensenator Frank Henkel, (c) Foto: Frank M. Wagner

Herr Senator, Sie haben während des Wahlkampfes den früheren New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani getroffen, der in 1990er Jahren die US-Metropole vom Kopf auf die Füße gestellt und für Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit gesorgt hatte, die dort noch bis heute Bestand hat.

Ja, die Möglichkeit, mit dem legendären Rudolph Giuliani zusammenzukommen und die Möglichkeit gehabt zu haben, 20 Minuten lang mit ihm mal über Metropolen zu reden, darüber, was Metropolen ausmacht, wie sie funktionieren müssen etc, das war schon etwas Besonderes.

Und wie fiel Giulianis Meinung über Sie als Innensenator aus?

Giuliani hat sich sehr lobend über die Sicherheit und all das, was meine Arbeit betraf, geäußert. Aus seiner Sicht lautete das Fazit: „Alles richtig gemacht“.

Ich kenne New York aus der Zeit vor und auch nach Giuliani, das ist tatsächlich ein Unterschied wie Tag und Nacht. Gerade auch, was saubere Straßen und die Sicherheit der Bürger angeht. Ist Giulianis Null-Toleranz-Konzept, das z.B. auch das Wegwerfen von Müll und Zigarettenresten betrifft, für Sie eine Option?

Ich kenne die Stadt auch aus der Zeit vor, während und nach Giuliani. Das, was als „Broken Windows“-Theorie von Giuliani umgesetzt wurde, hat New York auch insgesamt nach vorne gebracht.

Das bedeutet, dass man ein kaputtes Fenster sofort reparieren muss, da sonst noch mehr Scheiben zerstört werden und ein Stadtviertel dann langsam aber sicher verkommt. Wie hat Giuliani denn Berlin als Stadt beurteilt?

Ich fand es interessant, wie er von außen auf unsere Stadt geblickt hat: Er sagte, er beurteilt die Entwicklung einer Stadt zunächst einmal immer nach der Anzahl der Baukräne. Als er eingeflogen ist, hat er unsere Kräne gesehen und gesagt: „Es muss Berlin gut gehen“. Und dann betonte er die Dinge, die seiner Erfahrung nach für eine Stadt wichtig sind: „Die Stadt muss bezahlbar sein“, (das ist Berlin), die Stadt muss sich entwickeln, muss bauen“ (das tut Berlin) und: „die Stadt muss safe sein“ (das ist Berlin). Das fand ich spannend. Aus Giulianis Sicht war Berlin auch sauber. Da sage ich als Berliner aber: Naja, wir haben noch ein bisschen Potential nach oben.

Frank Henkel im Gespräch mit Wählerinnen, (c) Foto: Frank M. Wagner
Frank Henkel im Gespräch mit Wählerinnen, (c) Foto: Frank M. Wagner

Sie haben im Wahlkampf auf die innere Sicherheit gesetzt und insbesondere auf das Thema Bildung. Waren diese klassischen CDU-Themen auch die richtigen, mit denen man die Berliner erreichen kann?

Ja, diese Themen sind auch immer wieder Gegenstand meiner Gespräche auf der Straße gewesen. Menschen kamen zu mir, weil sie die Sorge hatten, dass für ihre Kinder in Berlin keine vernünftige Bildung angeboten wird. Also die Frage ist, schaffen wir es, die Vielfalt im Bildungssystem zu erhalten, schaffen wir es, das Gymnasium zu erhalten und auszubauen. Wir wachsen als Stadt, 40.000 Menschen sind in den letzten Jahren zu uns gekommen und zwar jedes Jahr. Darunter sind auch viele Familien, und die natürlich eine gute Bildung für ihre Kinder haben wollen. Das war immer wieder Gegenstand meiner Gespräche, konkret also etwa die Frage des Unterrichtsausfalls, des Lehrermangels oder des baulichen Zustandes von Schulen und Kindertagesstätten. Insofern lautet meine Antwort: Ja, das Thema Bildung ist etwas, das Leute in einer Großstadt wie Berlin unmittelbar betrifft.

Waren die Bürger beim Thema Sicherheit ähnlich stark interessiert?

Natürlich. Das Thema Sicherheit insgesamt hat ja viele Facetten. Es geht nicht nur um die Frage „mehr Polizei“, „mehr Feuerwehr“, „mehr Verfassungsschutz“. Das sind ganz wichtige Fragen, insbesondere vor dem Hintergrund der Herausforderungen wie der Alltagskriminalität, des islamistischen Terrorismus usw. Aber Sicherheit ist ja eine Medaille, die zwei Seiten hat und die wir auch beide immer verstanden haben: Dazu zählt auch die soziale Sicherheit, dass man hier sicher leben will und feiern will und auch sicher lernen will. Das Sicherheitsmotiv haben wir ja auch in unserer Kampagne abgebildet, weil ich der festen Überzeugung bin, dass Sicherheit ein Grundbedürfnis der Menschen ist. Und die Politik würde einen großen Fehler begehen, wenn sie dieses Grundbedürfnis der Menschen nicht ernstnehmen würde.

Sie hatte gerade vom „sicheren Feiern“ gesprochen, das ist ja insbesondere auch ein Thema für Friedrichshain-Kreuzberg.

Absolut.

Gerade in dem Bezirk sagt man allerdings nicht: Super, ich wähle Frank Henkel, dann kann ich endlich sicher feiern.

Ja, na sicher, für die Leute im Görlitzer Park bin ich natürlich der, der ihnen die Stimmung verhagelt. Das ist doch völlig klar. Auch die Leute am Kotti werden jetzt nicht sagen: „Mensch, toll“, sondern da ist jemand, der ihnen ebenfalls die Stimmung vermiest. Beim RAW-Gelände ist es so, dass wir viele erlebnishungrige junge Menschen überall aus der Republik, aber auch aus Europa und der Welt haben. Und die sind schon daran interessiert, dass sie sicher wieder nach Hause kommen oder von A nach B. Dementsprechend haben wir in der Vergangenheit als Polizei sehr viel Kraft aufgewandt, damit dies auch gewährleistet wird.

...bis zum 18. September die Roten fest im Griff: CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel, (c) Foto: Frank M. Wagner
…bis zum 18. September die „Roten“ fest im Griff: CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel, (c) Foto: Frank M. Wagner

In wie weit hat denn auch die Bundespolitik Ihren Wahlkampf mitbestimmt?

Ja, natürlich waren die Flüchtlinge ein wichtiges Thema im Wahlkampf und zwar in vielerlei Hinsicht. Es gab Menschen, die gesagt haben: „Wir schaffen das überhaupt nicht“, es gab Leute, die sagten: „Wie kann man nur“ und es gab Leute, die gar nicht verstanden haben, warum jetzt so viele Flüchtlinge bei uns sind. Und mit denen muss man eben reden und das habe ich getan. Im letzten Jahr sind ca. 80.000 Menschen als Flüchtlinge in unserer Stadt angekommen. Das ist eine Situation, die wir uns nicht ausgesucht haben, mit der wir aber umgehen müssen. Das bedeutet, dass wir sehen müssen, dass wir die Leute aus den Massenunterkünften rausholen, dass wir ihnen Sprachangebote machen, dass wir ihnen auch unsere Werte vermitteln, also klar machen, was eigentlich die Basis ist, bzw. der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält: Die Gleichberechtigung von Mann und Frau etwa oder die Werte des Grundgesetzes, die mitvermittelt werden müssen. Am Ende wird es auch darum gehen, dass man die Menschen über Praktika in Ausbildung und Arbeit bringt. Da gibt es gute Ansätze in Zusammenarbeit mit der Berliner Wirtschaft. Man muss den Menschen aber auch sagen: Ja, es ist ein Gebot christlicher Nächstenliebe, dass man Menschen hilft, die vor Terror und Krieg flüchten. Es ist aber gleichermaßen so, dass man nicht allen Menschen auf der Welt eine neue Heimat in Berlin geben kann. Das wollen wir auch nicht und deswegen ist die andere Seite der Medaille die, dass man sich sehr darum bemüht, diejenigen Menschen, die hier keine Bleibeperspektive haben, auch wieder in ihre Heimatländer zurückzuführen.

Wie verärgert sind sie denn über das Wahlergebnis von 17,6 Prozent?

Ich bin nicht verärgert, aber natürlich bin ich enttäuscht. Das ist ja auch keine Frage, wenn man mehrere Wochen und Monate ganz hart und leidenschaftlich den Wahlkampf und viele Gespräche führt, wenn man auch das Gefühl hat, dass man mit den Themen bei den Berlinerinnen und Berlinern richtig liegt. Dann ist man vom Ergebnis der Wahl natürlich enttäuscht. Deshalb habe ich heute auch gesagt, dass es kein guter Tag für die Volksparteien hier in Berlin ist.

Ist das schlechte Ergebnis auch ein Stück weit auf die Bundespolitik von Angela Merkel zurückzuführen?

Wir gewinnen zusammen und wir verlieren zusammen. Das ist die Aussage, aber richtig ist auch, dass das eine oder andere an Rückenwind anders hätte ausfallen können. Ich glaube, dass es nichts hilft, wenn sich die Schwesterparteien auf offener Bühne streiten und das hat uns mit Sicherheit auch nicht gut getan.

Wie hat sich denn dieser Wahlkampf aus Ihrer Sicht von anderen unterschieden?

Er war zunächst einmal kürzer und was das politische Klima insgesamt betrifft, war er auch rauer: Wenn ich mir etwa das Maß zerstörter Wahlplakate anschaue oder sehe, dass man Kandidaten von uns das komplette Fahrzeug angezündet hat oder es auch körperliche Übergriffe gab. Das war, wie ich finde, schon ein bisschen anders als in den Jahren zuvor.

Gibt es etwas Besonderes, dass Ihnen von diesem Wahlkampf noch lange positiv in Erinnerung bleiben wird?

Ja, natürlich (lächelt), ich hatte ganz nette Gespräche mit Kindern. Ich habe eins heute noch sehr in Erinnerung. Da stellte sich ein ganz junges Mädchen hin und sagte: „Kann ich Dich mal was fragen?“ und ich meinte „Ja, natürlich!“, da fragte sie: „Bist Du für Umwelt oder dagegen? Bist Du für Autos oder gegen Autos? Bist du für‘s Fahrrad und gibt es bald mehr Spielplätze?“ Das war ein ganz niedliches Gespräch, ein Highlight, an das ich mich bestimmt auch später noch erinnern werde.

Von EIC