Als Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz gehört Malu Dreyer dem Parteivorstand der SPD an. Mit Frank M. Wagner sprach die 56-Jährige über die Aussichten ihrer Partei bei der Bundestagswahl im September und den Kanzlerkandidaten Martin Schulz.

Frau Ministerpräsidentin, bei seiner Wahl zum SPD-Parteivorsitzenden hat Martin Schulz einhundert Prozent der Delegierten für sich gewinnen können. Aber wie sieht es bei den Wählern der Republik aus, wie groß ist denn aktuell die Wechselstimmung im Land?

Die Demoskopen sagen ja schon, dass es tatsächlich eine Wechselstimmung gibt. Und das ist auch gut so, denn diese Wechselstimmung ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass man eine Wahl gewinnen kann, bei der wir letztendlich die Kanzlerin beziehungsweise die CDU herausfordern. Und mit dem Rückenwind von einhundert Prozent der Delegiertenstimmen, mit der total motivierten SPD und einem super Kanzlerkandidaten haben wir gute Chancen, dass wir das am Ende auch schaffen werden.

Nun hat Martin Schulz unter anderem der SPD im Saarland einen großen Popularitätszuwachs beschert: Schon die Umfragewerte kletterten binnen 3 Monaten von November bis März um plus 7 Prozent auf Seiten der SPD. In Nordrhein-Westfalen traten allein im Januar dieses Jahres 1.000 Menschen in die SPD ein, in Schleswig-Holstein liegt die SPD neuerdings in zehn von elf Wahlkreisen vorne. Die Bundestagswahl findet allerdings erst Ende September statt. Hält der Schulz-Effekt bis dahin an?

Ich bin sicher, dass dieser Trend weiter anhalten wird. Es ist ein bisschen so, als hätten Viele darauf gehofft, dass die SPD an ihrer Spitze einen Menschen hat, hinter dem man sich auch wieder versammeln kann. Die SPD ist eine Volkspartei, eine Partei mit ganz viel Tradition, es ist nur richtig, dass wir jetzt auf Augenhöhe mit der anderen großen Volkspartei in den Wahlkampf ziehen. Und ich bin fest davon überzeugt, dass dies morgen nicht vorbei ist, ganz im Gegenteil.

Sie  haben die andere große Volkspartei erwähnt. Beispielsweise bei der Europapolitik und auch in der Flüchtlingsfrage haben die CDU beziehungsweise Angela Merkel ja mit Martin Schulz durchaus an einem Strang gezogen. Bei welchen Themen muss Schulz jetzt seine großen Schwerpunkte setzen, um sich von Merkel zu unterscheiden und die Wähler für sich zu gewinnen?

Martin Schulz hat ja schon ein paar Themen angesprochen, das Programm wird allerdings erst in den nächsten Wochen und Monaten ausgearbeitet. Aber ein wichtiger Punkt ist aus meiner Sicht tatsächlich das Thema „Gerechtigkeit“. Es geht vor allem um Menschen, die eigentlich im Moment noch ganz gute Jobs haben, aber doch mit Abstiegsängsten zu tun haben. Und es geht darum, dass wir in diesem Zusammenhang dann auch nochmal das Arbeitslosengeld 1 verändern, das Schonvermögen verändern, einfach um den Menschen Sicherheit zu geben…

…nun kosten diese Vorhaben alle durchaus auch Geld, nicht zuletzt auch die Ausweitung des Arbeitslosengeldes 1 unter anderem auch für ältere Arbeitnehmer. Gilt hier der Grundsatz, dass die Bundesrepublik aktuell genug Geld hat, oder wie soll dies finanziert werden?

Das ALG 1 ist eigentlich keine Frage der Einnahmen, sondern das sind Versicherungsgelder. Zur Zeit sind 11 Milliarden vorhanden, und es ist auch nicht die große Menge von Menschen. Ich glaube, man muss Folgendes verstehen: Wenn man ein modernes Land ist, das von den Menschen Leistung abfordert – was wir ja tun – dann müssen wir den Menschen umgekehrt auch Sicherheit bieten, wenn sie lange im Job sind und dann plötzlich arbeitslos werden.

Welchen Themen werden für die Bundestagswahl sonst noch von besonderer Bedeutung sein?

Wichtig ist auch, dass wir die Bundesagentur wirklich verändern – hin zu mehr Qualifizierung der Menschen, die arbeitslos sind. Wir brauchen Fachkräfte für die Zukunft. Denn sie bedeuten Zukunft für Deutschland. Martin Schulz hat bei seiner Wahl zum Parteivorsitzenden aber auch deutlich gemacht, dass die SPD die Familienpartei ist. Wir wollen, dass auch junge Eltern wirklich gute Möglichkeiten haben, Beruf und Familie tatsächlich gut miteinander zu vereinbaren. Auch die gebührenfreie Bildung gehört zu den wichtigen Themen dazu. Weitere werden folgen.

Welche Bedeutung werden steuerliche Entlastungen im Bundestagswahlkampf der SPD haben?

Was uns natürlich insbesondere von der CDU unterscheidet, ist, dass wir nicht mit großen Steuergeschenken in den Wahlkampf ziehen wollen. Wir reden in ein paar Wochen auch noch über das Thema Steuern. Aber wir wollen vor allem investieren: In unser Land, in die Zukunft unseres Landes.  Das haben unsere Kinder auch wirklich verdient.

Die Bundesrepublik steht finanziell aktuell durchaus gut da. Da ist es also aus Ihrer Sicht der richtige beziehungsweise notwendige Schritt, jetzt mehr Investitionen vorzunehmen?

Natürlich, wir können es nicht auf Dauer ertragen, dass wir auch im Bereich der Investitionen eigentlich viel zu knapp sind. Es ist egal, ob es die Schulen sind, ob es Breitband ist, ob es gebührenfreie Kitas sind, ob es um das Leben der Menschen insgesamt geht. Wir müssen sicherstellen, dass wir auch wirklich überall ein Toplevel haben. Und dazu gibt es jetzt die Möglichkeit und deshalb sollen wir nicht allzu viele Steuergeschenke machen, sondern eher in die Zukunft investieren.

Lassen Sie uns zum Abschluss bitte ein wenig in die Zukunft blicken und die Chancen der SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten Martin Schulz ausloten: Was schätzen Sie, wie geht die Bundestagswahl im September für Ihre Partei aus?

Prognosen kann man im Moment nicht machen. Aber ich bin ganz sicher, die SPD hat wirklich alle Aussichten um ganz, ganz stark aus der Bundestagswahl hervorzugehen. Unser Ziel ist es, dass Martin Schulz ins Kanzleramt kommt und das werden wir mit aller Kraft verfolgen.

Von EIC