Bei den Werbeinvestitionen wird das Fernsehen dieses Jahr erstmalig vom Online-Bereich überholt. Und zwar weltweit. Anlass zur Sorge ist das für Europas größten TV-Sender RTL jedoch nicht. Frank Wagner hat darüber mit Anke Schäferkordt, Geschäftsführerin der Mediengruppe RTL Deutschland, gesprochen.

Frau Schäferkordt, mit ihrem Nachrichtensender n-tv feiert die Mediengruppe RTL in diesen Tagen 25-jähriges Jubiläum. Wie hat sich der Sender aus Ihrer Sicht entwickelt?

n-tv ist ein Vorbild dafür, wie man eine Medienmarke in das digitale Zeitalter führen kann. Wenn Sie heute an n-tv denken, dann denken Sie nicht nur an lineares Fernsehen, sondern auch an Digitalangebote, an die App auf dem Smartphone oder dem Tablet, an Car-Entertainment-Systeme oder an Amazon Echo. Wir sind mit der Marke n-tv und ihren Inhalten wie Nachrichten und Wirtschaftsberichterstattung überall präsent.

Das lineare Fernsehen, bei dem sich der Zuschauer zu einer bestimmten Uhrzeit vor dem Fernseher einfinden muss, wird gerade bei jungen Leuten eher unbeliebter. Sind die digitalen Angebote, die Sie genannt haben, auch eine ihre Strategien, um die junge Leuten zu erreichen und an n-tv zu binden?

Es ist schon so, dass ein Großteil der Bewegtbildnutzung in Deutschland nach wie vor über lineares Fernsehen erfolgt. Aber Sie haben Recht: Je jünger die Zielgruppe ist, desto mehr wird auf digitalen Endgeräten und auch non-linear, also auf Abruf, konsumiert. Daher haben wir uns als Mediengruppe RTL frühzeitig vom TV- zum Bewegtbildanbieter für alle Plattformen gewandelt. Für uns war es daher selbstverständlich, auch mit unserer Nachrichtenmarke auf allen Plattformen und Endgeräten präsent zu sein und je nach Zielgruppe und Gusto die Informationen so zur Verfügung zu stellen, wie man sie konsumieren möchte.

In wie weit geht Ihre Strategie auf?

Das funktioniert sehr gut. Schauen Sie sich einmal an, wie attraktiv n-tv heute auch für eine junge Zielgruppe auf dem mobilen Endgerät ist: Wir gehören mit n-tv immer zu den Top5-Nachrichtenangeboten in der digitalen Nutzung. Ich glaube, da kann man wirklich sagen, dass n-tv den richtigen Weg beschritten hat.

Im Werbemarkt dominiert der Bereich Online. Haben Sie ein wenig Sorge, dass sich der Werbemarkt in die „falsche“ Richtung entwickelt und Sie davon auch benachteiligt werden könnten?

Im Onlinebereich sind sehr viele Segmente zusammengefasst. Die höchsten Erlöse werden dort mit „Search“ erzielt, ein Bereich, in dem kaum ein deutscher Player präsent ist. Bei den klassischen Medien ist TV – übrigens inklusive seiner Digitalaktivitäten – klar dominant. Aber sicher ist die sehr starke Marktposition der amerikanischen Player Google und Facebook im digitalen Werbemarkt etwas, vor dem deutsche Publisher Respekt haben müssen.

Sprechen wir über „Netflix“ und „Amazon Prime Video“. Gibt es da eine gewisse Angst vor diesen Anbietern auf Seiten der etablierten TV-Anbieter für den Fall, dass sich die Streaming-Anbieter künftig auch für Werbung öffnen sollten?

Angst ist selten ein guter Berater, Respekt sollten wir vor allen Wettbewerbern haben. „Amazon Prime“ und „Netflix“ spielen in einem anderen Segment als unsere Free-TV-Angebote. Sie sind rein non-linear unterwegs und ein Pay-Angebot. Bis dato hat keiner dieser Player Angebote im Werbebereich, also stehen wir hier nicht in Konkurrenz. Allerdings stehen wir natürlich im Wettbewerb um die Gunst der Zuschauer. Da sind die Streaming-Angebote wiederum in der jungen Zielgruppe Wettbewerber, die wir absolut ernst nehmen.

Und in diesem Zusammenhang legen Sie den Schwerpunkt nicht so sehr auf amerikanische Serien wie „Netflix“ und „Amazon“ das tun, sondern mehr auf deutsche Inhalte, um den Wettbewerbern zu begegnen?

Unsere Strategie, auf Eigenproduktionen zu setzen, ist zwar keine Reaktion auf die Angebote von Streaminganbietern. Dennoch ist sie natürlich ein Unterscheidungsmerkmal, weil Sie deutsche Produktionen im fiktionalen und non-fiktionalen Bereich oder in der Information bei „Amazon Prime“ oder „Netflix“ nur in ganz kleinem Umfang oder gar nicht bekommen. Wir haben uns bereits vor einigen Jahren entschieden, verstärkt auf exklusive, unverwechselbare Inhalte zu setzen, die nur bei uns zu sehen sind. Sie erhöhen in einer sich fragmentierenden Medienwelt mit einer immer größeren Anzahl an Angeboten die Aufmerksamkeit für unsere Sendermarken. Und sie werden wichtiger, weil wir mit ihnen eigene Verwertungsrechte über alle Plattformen generieren können.

Sie waren ja bis vor Kurzem CEO der Muttergesellschaft RTL-Group und der Mediengruppe Deutschland. Seit März beschränken Sie sich ausschließlich auf Deutschland und sind dabei weiter als Bertelsmann-Vorstand aktiv. Haben Sie die Veränderung vorgenommen, um  sich stärker auf die Digitalisierung zu fokussieren? Warum haben Sie die Veränderung Ihrer Aufgaben vorgenommen?

Ich bin der festen Überzeugung, dass sowohl die RTL Group als auch die Mediengruppe RTL Deutschland im Zuge der immer schneller werdenden Veränderungen ungeteilte Konzentration von den CEOs braucht. Denn unser Geschäft wird zunehmend fragmentierter, kompetitiver und technologiegetriebener. Darum war das der richtige Schritt zum richtigen Zeitpunkt – sowohl für mich, als auch für die RTL Group in Luxemburg und die Mediengruppe RTL Deutschland. Das heißt nicht, dass ich den Job bei der RTL-Group nicht wahnsinnig gerne gemacht habe. Ich habe viel gelernt, ich habe hervorragend mit meinem Co-CEO Guillaume de Posch zusammengearbeitet. Aber jetzt galt es, sich zu konzentrieren, und das habe ich getan.

Zur Person
Anke Schäferkordt
ist seit 2005 Geschäftsführerin der „Mediengruppe RTL Deutschland“ und Vorstandsmitglied des Bertelsmann-Konzerns. Von 2012 bis März  2017 war sie zusätzlich CEO der Muttergesellschaft „RTL Group“ in Luxemburg. Schäferkordt ist 55 Jahre alt und stammt aus dem westfälischen Lemgo.

Mediengruppe RTL Deutschland und die  RTL Group

Zur Kölner Mediengruppe RTL gehören unter anderem Sender wie RTL, VOX, n-tv, RTL nitro, aber auch Pay-TV-Sender wie RTL Crime/Passion/Living und GEO Television.

Die RTL Group umfasst 57 Fernsehstationen und 31 Radiosender und bildet damit Europas größten Betreiber im Bereich Privatfernsehen und Privatradio. Das Unternehmen beschäftigt insgesamt über 9.200 Mitarbeiter und hatte 2016 einen Jahresumsatz von 6,237 Milliarden Euro vorzuweisen. Den größten Aktienanteil am Unternehmen hält der Gütersloher Medienkonzern Bertelsmann mit 75,1 Prozent.

Von EIC